Reden zum Trans Day of Remembrance 2024

Rhonda (sie/ihr, per/pers) Venib
TW: Transfeindlichkeit & Erwähnung von ermordeten trans Personen

Ich bin wütend. Ich bin es immer noch. Vor zwei Jahren stand ich hier und hab meinem Unmut Platz verschafft. Darüber, dass der öffentliche Diskurs, ob wir existieren dürfen oder nicht, von Medien gestärkt geführt wird auf eine Art und Weise, die ihresgleichen sucht.


Unsere Existenz und Daseinsberechtigung steht verstärkt zur Debatte. Und selbst als linksliberal verstandene Journalisten kommen ihre Sorgfaltspflicht nicht nach und bezeichnen leicht nachzuprüfende trans hetzende Artikel als “sehr lesenswert”. Selbst queere Organisationen teilen diesen Artikel als “kleine Einstimmung” für einen Abend mit der Autorin. Und kein Mensch hat es offenbar gelesen oder nachgeprüft, ob die zentral aufgestellte Behauptung in dem Artikel überhaupt der Realität entsprechen oder nur ein Bauchgefühl sind. Dabei war nur ein kurzer Blick auf die Website auf die sich bezogen wurde notwendig, um den zentralen Aufhängungspunkt als Panikmache ohne Basis erkennen zu können. Das Wort Frau verschwindet nicht. Immer noch nicht. Wird es auch nicht. Trans Frauen sind Frauen.
Karl Nehammer hat in seinem Österreichplan ganz stark gegen trans Personen gehetzt – und die ÖVP tut das immer noch. Bei der Umsetzung des Bundes-Gleichbehandlungsgesetz haben sie ein Urteil vom Verfassungsgerichtshof von 2018 umgesetzt, aber am selben Tag noch Presseaussendungen gemacht, dass sie dieses wieder zurück nehmen wollen. Sie wollen aktiv weiter darauf bestehen, inter* und nicht-binäre Personen sprachlich unsichtbar zu machen und damit zu diskriminieren.


Dass all diese Dinge nicht in einem Vakuum statt finden, sollte klar sein. Solche Ausbrüche und Talking-Points haben System und beeinflussen die Gesellschaft. Ich bin für meine Existenz und Optik in den letzten Wochen und Monaten verstärkt in öffentlichen Verkehrsmittel und auf der Straße mit “freundlichen” Kommentaren angefeindet worden – ohne, dass sich umstehende Personen dazu geäußert hätten. Und wenn wir uns an Olympia zurück erinnern, wo der Diskurs plötzlich so extrem inter* und trans-feindlich passiert ist, wundert es nicht, dass die Zahl der ermordeten trans Personen heuer auch wieder erschreckend hoch ist. Ich zähle in Gedanken auch ganz konkret jene Personen hinzu, die in den Suizid getrieben wurden, weil sie genauso Opfer transfeindlicher Gewalt geworden sind.


Wir leben hier in Österreich halbwegs sicher. Das ist mit der Grund, warum wir auf die Straße gehen können. Das ist leider nicht überall so. In Brasilien gab es mehr als ein viertel der ermordeten trans Personen. Aber wir müssen garnicht so weit schauen – auch Frankreich und Italien scheint in der Statistik auf und bietet mit der jeweiligen Regierung einen guten Nährboden. Und bei der Rhetorik, mit der die beiden großen blauen Parteien um sich werfen, wird es hier auch schwieriger. Neun Jahre ist es nun her, dass Hande, eine trans Frau, hier in Wien ermordet wurde.

All dies macht mich und lässt mich wütend bleiben.

Und ich verstehe Personen, die sich deswegen zurück ziehen, nicht out sein können und daher mit einer enormen internen Belastung wegen der unmenschlichen äußeren zu kämpfen haben. Deswegen ist es umso wichtiger für jene, die es schaffen, sichtbar zu sein – und es zu bleiben. Und an all jene, die von Transfeindlichkeit nicht betroffen sind: Schreitet ein, wenn ihr diese bemerkt. Lasst euer trans, inter* und nicht-binäres Umfeld nicht damit alleine. Insbesondere auch dann, wenn keines von uns anwesend ist. Bleibt im Austausch, und an Tagen wie diesem, schaut dass es euren Friends gut geht.
Be careful with each other so we can be dangerous together!


Pepper (keine) Genderklage
TW: Die Rede thematisiert Gesetze zur Minderheitenverfolgung in der NS Zeit, sowie trans feindliche Gesetze in der 2. Republik.

Hi, ich bin Pepper (kein Pronomen) und ich spreche heute für die Genderklage. Wir klagen das Recht auf geschlechtliche Selbsbestimmung ein. Ich möchte euch heute von unserer Geschichte erzählen.
Der Geschlechtseintrag ist eigentlich eine recht junge Erfindung. Österreich hatte lange Zeit gar kein Personenstandsrecht. Es war die Aufgabe der Kirche festzuhalten, wer geboren, verheiratet oder gestorben ist. 1870 gab es erstmals ein staatliches Register, aber nur für Menschen ohne Religionsbekenntnis [1]. Erst 1938 haben wir dann ein einheitliches, von den Kirchen unabhängiges, Personenstandsrecht bekommen, nämlich das Deutsche, durch den Anschluss. Das wurde dort ein Jahr vorher eingeführt, um die “Sippenforschung” zu erleichtern [3]. In Österreich sah man daran auch nach der NS-Zeit wenig Reformbedarf. Man hat es erst 1983 für notwendig erachtet, das Nazi-Gesetz zu reformieren. Durch diese Reform kam der Geschlechtseintrag ins Personenstandsregister [4]. Erst mit dem EU-Beitritt 1995 kam der Geschlechtseintrag in den Reisepass [5].


Der Vollzug des Personenstandsrechts obliegt den Standesbeamt*innen. Das war auch schon in der NS-Zeit so. Außerdem waren sie damals mit der “Verordnung zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre” und den Bestimmungen des “Ehegesundheitsgesetzes” betraut. Die Standesämter waren aufgrund der vorhandenen Daten und dem ständigen Kontakt zur Bevölkerung fest in die Minderheitenverfolgung des NS-Regimes eingebunden. Im Zweifelsfall konnten sie sich eines erbbiologischen Sachverständigen bedienen [3]. Heutzutage bedienen sie sich ebenfalls medizinischer Fachgutachten, um Trans- oder Intergeschlechtlichkeit feststellen zu lassen. [6]

Standesbeamt*innen kümmerten sich in der NS-Zeit ebenfalls um den Vollzug des Namensrechts. 1939 wurden namensrechtliche Vorschriften erlassen, um die freie Wahl jüdischer Vornamen zu erschweren. Dazu wurde eine umfangreiche Liste mit jüdischen Vornamen erstellt [3]. Heute haben die Standesbeamt*innen ebenfalls eine Liste, um zu entscheiden, ob ein Name dem männlichen, weiblichen, beiden oder keinem Geschlecht eindeutig zuzuordnen ist oder überhaupt nicht verwendet werden darf [7].

Man muss also objektiv feststellen, dass die österreichischen Standesämter im Jahr 2024 im Umgang mit geschlechtlichen Minderheiten ähnliche Methoden zur “Geschlechterforschung” anwenden, wie im Nationalsozialismus zur “Sippenforschung”.

Seit der Einfürhung des Geschlechtseintrags 1983 haben wir aber auch die Möglichkeit rechtlich gegen das juristische Geschlecht vorzugehen. Wir, die genderqueere Community befinden uns seit 15.281 Tagen, also seit über 41 Jahren im Rechtsstreit mit dem Innenministerium über die Auslegung des
§ 41 PStG. Seither haben es 18 Innenminister*innen (11 Schwarze, 4 Rote, 2 Unabhängige und ein Blauer [9]) nicht für notwendig erachtet, sich auch nur einen Millimeter zu bewegen.

TransX der Verein für Transgender Personen kippte 2006 den Scheidungszwang und 2009 den Operationszwang. Trotz Höchstgerichtsurteilen, lehnte das Standesamt die Personenstandsänderung aber weiter ab. Die Änderung wird erst nach einer Amtsmissbrauchsbeschwerde im März 2010, also knapp 1 Jahr später, durchgeführt [8].

VIMÖ, der Verein Intergeschlechtlicher Menschen Österreich erstritt 2018 die alternativen Geschlechtseinträge und die erreichte damit die rechtlichen Anerkennung der eigenständigen geschlechtliche Identität von intergeschlechtlichen Personen. Innenminister Kickl ignoriert das Höchstgerichtsurteil. Sein Nachfolger Karl Nehammer ebenfalls. Die Personenstandsänderung wird erst nach einer Amtsmissbrauchsbeschwerde im Juli 2020, also knapp 2 Jahr später, durchgeführt [10, 11].

Venib, der Verein nicht binär führt aktuell 4 Verfahren zu den Einträgen divers, nicht-binär und kein Eintrag. Alle wurden in erster Instanz positiv entschieden. Sie liegen aber aktuell zur Revision beim Verwaltungsgerichtshof, da sie das Innenministerium bekämpft [12].

Das Innenministerium hat eine sehr eigene Auffassung der Welt. Es schreibt in seiner Revision: “Beim Geschlecht handelt es sich um eine rechtliche Zuordnung, die rein objektiv betrachtet nichts mit der psychischen oder physischen Geschlechtsidentität zu tun hat” [13]. Soll heißen, dein Geschlecht wird dir von einer Standesbeamt*in von Gottes Gnaden mitgeteilt und du hast glücklich und ruhig zu sein.

Unser Kampf geht also weiter und er wird nicht leichter. In seinem Österreichplan hat ex- und wahrscheinlich bald neo-Bundeskanzler Nehammer seine menschenrechtsverachtenden Hassfantasien zu Papier gebracht und fordert unter anderem eine rechtliche Konkretisierung der Geschlechter [14]. Also genau das Gegenteil dessen, was der Verfassungsgerichtshof 2018 erkannt hat. Genau das, was ihm schon einmal eine Strafanzeige bei der Wirschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft wegen Amtsmissbrauchs eingebracht hat [11].

Der Personenstand ist aber nicht das einzige Rechtsgebiet, auf dem wir kämpfen. Wir haben Erkenntnisse aus dem Gleichbehandlungsrecht, dass bei der Anrede und bei der Angabe des Geschlechts die Geschlechtsidentität ausschlaggebend ist, nicht der amtliche Geschlechtseintrag. Wir werden bald weiter Erkenntnisse zum Zugang zu geschlechtsspezifischen Räume haben. Und wir arbeiten auch daran, diese Rechtsauffassung im Datenschutzrecht durchzusetzen [16].

Wir kämpfen nicht nur für den selbstbestimmten amtlichen Geschlechtseintrags, wir bekämpfen auch die Relevanz des amtlichen Geschlechtseintrags an und für sich. Wir nehmen das Innenministerium sehr ernst, wenn es rechtliche Zuordnungen ohne Bezug zur Realität durchführen will. Wenn wir fertig sind, wird der amtliche Geschlechtseintrag selbstbestimmt sein. Und der amtliche Geschlechtseintrag wird irrelevant sein. Wir kämpfen für geschlechtliche Selbsbestimmung: Self-Id. Self-Id überall.

Abschließen möchte ich mit einem Auszug aus dem Strafgesetzbuch und einem buddhistischen Glaubensgrundsatz:

§ 188 StGB Wer öffentlich eine Glaubenslehre, die den Gegenstand der Verehrung einer im Inland bestehenden Religionsgesellschaft bildet, unter Umständen herabwürdigt oder verspottet, unter denen sein Verhalten geeignet ist, berechtigtes Ärgernis zu erregen, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.

Der Buddhismus steht dafür, dass Menschen aufgrund ihrer eigenen Wahrnehmung selbst erkennen und sagen, welches Geschlecht sie haben.


Vielleicht bringt das Nehammer & Co neben Amtsmissbrauch auch noch eine Strafanzeige wegen Herabwürdigung religiöser Lehren ein. Wenn du Jenga spielst, kannst du nur gewinnen, wenn nur darauf aus bist, dass der Turm einstürzt.

[1] Die Säkularisierung des Personenstandsrechtes am Beispiel der Gründung des Standesamtes Altenmarkt im Pongau (https://www.zobodat.at/publikation_articles.php?id=301851)
[2] http://ns-quellen.at/gesetz_anzeigen_detail.php?gesetz_id=32810&action=B_Read
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Personenstandsgesetz_(Deutschland)#Personenstandsgesetz_1937
[4] BGBl. Nr. 60/1983
[5] PaßGNov 1995
[6] https://www.wien.gv.at/menschen/queer/intersexualitaet/anerkennung-oesterreich.html
[7] https://www.wien.gv.at/menschen/queer/transgender/geschlechtswechsel/rechtlich/vorname.html
[8] https://www.transx.at/Pub/Rechtsentwicklung.php
[9] https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_%C3%B6sterreichischen_Innenminister
[10] https://vimoe.at/ueber-uns/
[11] https://www.rklambda.at/index.php/de/402-drittes-geschlecht-erfolg-nach-strafanzeige-erste-geburtsurkunde-mit-inter-ausgestellt
[12] https://venib.at/ag-recht/verfahrensuebersicht/
[13] VGW-101/007/4796/2023/R-3
[14] https://qck.tirol/brief
[15] VfGH G77/2018
[16] https://venib.at/ag-recht/selbstbestimmung/

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